März 2015

Ernst Goll und das Militär


von Christian Teissl

Eins der weniger geläufigen Portraitfotos von Georg Trakl zeigt den Dreiundzwanzigjährigen mit Schnurrbart und stechendem Blick in der Uniform des Einjährig-Freiwilligen. Kann es auch von Ernst Goll vergleichbare Bilder geben?
Nach dem damals gültigen österreichischen Wehrgesetz stand auch ihm – wie allen Maturanten – das Recht zu, seinen Miltärdienst als Einjährig-Freiwilliger zu absolvieren und danach zum Offizier der Reserve zu avancieren. Er aber machte von diesem Privileg nicht Gebrauch; sein kurzes Leben verlief in ganz und gar zivilen Bahnen, weit abseits von der "Gleichschrittsqual und Stillstandspein" der Kasernen, um mit Michael Guttenbrunner zu reden.
Vom Gymnasium in Marburg an der Drau, dem heutigen Maribor, wechselte er unverzüglich an die Universität nach Graz und verblieb dort ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod im Juli 1912. Dass er keinen Präsenzdienst geleistet hat, darf als gesichert gelten; über die näheren Gründe jedoch lässt sich mangels Quellen bis dato nichts sagen.
Den einzigen konkreten Hinweis gibt eine von den insgesamt 45 Grußkarten, die Ernst Goll zwischen Juni 1907 und August 1909 einem Grazer Dienstmädchen namens Josefine "Peperl" Koch geschrieben hat. Zwei dieser Karten zeigen auf der Vorderseite bislang unbekannte Aufnahmen des Dichters: auf der einen ist er leger mit Tennisschläger zu sehen, auf der andern in der Pose des Dandys, eine Zigratte in der Hand, ein Blumenbukett am Revers.
In Golls Handschrift steht hier an den unteren Bildrand geschrieben:

Stellung 1908    
Natürlich "untauglich"


Bild "Goll als Dandy_kl.jpg"
Quelle & Digitalisat: Steiermärkische Landesbibliothek, Graz.
Sämtliche Kartengrüße Golls an Peperl Koch werden heuer noch von mir ediert, im Rahmen einer Goll-Nachlese, die in der Schriftenreihe der Landesbibliothek erscheint.

Wie erleichtert mag Ernst Goll gewesen sein an diesem Sommertag des Jahres 1908, als von der Stellungskommission seine Untauglichkeit ein für allemal festgestellt wurde. In seinem "Reiterlied" vom 14. Mai 1906 hatte er zwar noch – eine absolute Ausnahme in seinem Schaffen – martialische Töne angeschlagen ("Aufs Feld! Aufs Feld! Durch dick und dünn/ Auf grad' und krummen Wegen,/ Durch dämmernde Stille zum Schlachtbeginn/ Dem Tode, dem Tode entgegen!"), doch ein Soldat ist an ihm nicht verloren gegangen. Weder war er, wie etwa sein Dichterfreund Bruno Ertler, begeisterter Jäger noch eine Kämpfernatur; er war, im Ganzen genommen, ein Träumer und Sänger, kein Falke, sondern eine Nachtigall.