Goll-Forscher Hubert Fussy
von Christian TeisslWie keiner vor ihm und nach ihm hat der steirische Germanist und Kulturhistoriker Hubert Fussy (geb. 1918 in Stainz bei Straden/Stmk.; gestorben 2003 in Graz) auf dem bis heute unwegsamen, steinigen Gebiet der Ernst Goll-Forschung Pionierarbeit geleistet.
Ende der 1960er Jahre, zu einer Zeit, als kein heimischer Verlag mehr auf Dauer das Werk des Dichters beherbergen wollte, nahm Fussy sich seiner an, bewahrte es vor dem Verschwinden und wurde zu seinem nimmermüden Deuter, Herold und Vermittler.
Im Zuge seiner intensiven biographischen Recherchen machte er damals hochbetagte Zeitzeugen ausfindig und sichtete Quellenmaterial, das mittlerweile vielfach nicht mehr zugänglich ist. Auch hat er als erster und einziger auf die Existenz von Prosa- und Dramenfragmenten im literarischen Nachlass des Dichters, der zum Bestand der Steiermärkischen Landesbibliothek gehört, hingewiesen – und damit eine Spur gelegt, die ich Jahrzehnte später, bei der Arbeit an meiner Ausgabe, dankbar aufnehmen und weiterverfolgen konnte.
Ihm selbst war es allerdings nicht vergönnt, eine neue Goll-Edition, die er unter dem Titel "Einer Sehnsucht bittende Gebärde" geplant und vorbereitet hatte, zwischen Buchdeckeln realisiert zu sehen. Eine solche Synthese seines Suchens und Sichtens, seiner Deutungen und seiner Quellenstudien, eine solche Krönung seiner jahrelangen Arbeit blieb ihm verwehrt; und dennoch: als Goll-Interpret und -Biograph hat er Markierungen gesetzt, die in den Jahren seither nicht verblasst sind, sondern nach wie vor ihren Wert und ihre Gültigkeit besitzen: Namentlich seine Studie "Ernst Golls Begegnungen mit Dichtung und Musik seiner Zeitgenossen", erschienen 1979 in der Festschrift für den frühverstorbenen Grazer Germanisten Hellmuth Himmel, ist und bleibt Basislektüre und Leitfaden für alle, die ausziehen, ihr bitteres Menschenland zu entdecken.
– Christian Teissl
Eine detaillierte Würdigung von Hubert Fussys Goll-Forschungen inklusive einer Darstellung seiner Editionspläne ist in Vorbereitung; hier, als visuelle Hommage an diesen verdienstvollen Vorläufer (den ich leider nie persönlich kennen lernen durfte), eine kleine Bilderstrecke:
Erste Seite eines Manuskripts von Hubert Fussy für die ORF-Sendereihe "Steirische Heimat". In zwei Folgen, am 9. und am 16. März 1967, sprach er dort über Leben und Werk Ernst Golls.
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Bericht in der Südost-Tagespost vom 1. Dezember 1968 über einen Vortrag von Professor Fussy
"... Zu danken habe ich Ihnen, lieber Herr Professor, daß Sie sich in so selbstloser Weise um den Nachlaß meines Bruders bemühen", heißt es in dieser Karte Hans Golls an Hubert Fussy vom 6. Jänner 1972. Hans Goll, 1895 in Windischgraz geboren und 1981 in Graz verstorben, von Beruf Architekt, war ein Halbbruder des Dichters. Mit ihm stand Fussy jahrelang in Verbindung.
Für die freundliche Bereitstellung und Übermittlung des Digitalisats danke ich Frau Hortensia Fussy.
Für die freundliche Bereitstellung und Übermittlung des Digitalisats danke ich Frau Hortensia Fussy.
Südost-Tagespost, 5. Februar 1984